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„Das ist es, was der Schwur beinhaltet“, sagte Anajinn. „Es geht um die Hingabe an die Suche. Um die Verpflichtung, den Glauben zu retten, selbst wenn man selbst nicht derjenige ist, der ihn rettet.“

Reyther lauschte angestrengt, vornüber gebeugt, mit schmerzendem Rücken. Die Worte des Kreuzritters in der Bibliothek waren gedämpft aber hörbar, selbst bei geschlossener Tür. Als das Gasthaus vor fast zwanzig Jahren neu gebaut wurde, hatte er sich mit dünneren Wänden zufrieden geben müssen. Er hatte die Hälfte des Grundstücks verkauft, um dafür zu bezahlen. Opfer waren gebracht worden. Dennoch würde das Gasthaus seinen früheren Glanz nie wieder erreichen.

„Ich glaube, ich verstehe“, sagte Lilsa. Sie war überglücklich gewesen, Anajinn zum ersten Mal seit ihrer frühen Kindheit wiederzusehen. Über Tage hinweg hatte sie stundenlang bei dem Kreuzritter gesessen und sich mit ihr unterhalten. „Es ist nicht die Hoffnung, sondern das Ziel. Deshalb wird der Name des ursprünglichen Kreuzritters weitergegeben. Ihr versucht, ihrem Opfer gerecht zu werden.“

„Das ist einer der Gründe“, sagte Anajinn.

Reyther fühlte Schmerzen in seinem Magen. Leise setzte er sich auf die Treppe; seine Gelenke knackten. Er wollte nicht, dass sie merkten, dass er sie belauschte. Seine Hände, seit langer Zeit vom Alter gekrümmt, öffneten und schlossen sich reflexartig. Sein Herz hämmerte und Schweiß tropfte von seiner Stirn.

„Bist du sicher, dass das etwas ist, dem du dich wirklich hinzugeben bereit bist, Lilsa? Meine Herrin hat mir einmal gesagt: Wenn du dieses Leben wählst, kannst du es dir zu Eigen machen, du kannst es verfluchen, aber du darfst es niemals bereuen. Unsere Art lebt selten lang, und die Jahre, die wir mit Glück überleben, sind voller Entbehrungen.“

„Ja“, sagte Lilsa bestimmt. Reyther kniff die Augen zu und unterdrückte ein Stöhnen. „Ich möchte mit auf die Suche gehen, nach ...“ Sie hielt inne. „Wohin würden wir zuerst gehen?“

„Um ehrlich zu sein, habe ich in den letzten Tagen meine Pläne geändert“, sagte Anajinn. „Ich habe gehört, dass über Neu-Tristram ein Stern gefallen ist. Alpträume durchstreifen das Land. Ich vermute, dass ich nicht der erste Kreuzritter bin, der dort eintreffen wird, aber vielleicht können wir uns nützlich machen.“

Lilsa klatschte vor Aufregung in die Hände. Die Tür der Bibliothek flog auf, und Reyther erhob sich schnell und tat so, als würde er die Treppe herunterschlurfen, als würde er nur zurück in den Schankraum gehen. Er versuchte, den Schrecken in seinem Gesichtsausdruck zu verbergen. Tausend Wörter rasten durch seine Gedanken und formten Zurechtweisungen, Warnungen, Weigerungen, Ultimaten. Alles, was Lilsa umstimmen könnte, sie zur Vernunft bringen könnte.

Nichts davon, das wusste er, wäre er mutig genug auszusprechen.

„Vater“, sagte Lilsa. „Ich habe dir etwas Wichtiges zu sagen.“

„Vermutlich hast du das“, sagte er.

Das Ende ihrer Reise

Kreuzritter

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